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Im Januar 2025 hat die Gemeinde Köniz als eine der ersten Gemeinden der Schweiz an sämtlichen Schulen Smartphones verboten im Frühling folgte der Kanton Nidwalden und Österreich. Für mich war das der Anlass, den Bestseller von Jonathan Haidt zu lesen, der seit einem halben Jahr kontrovers diskutiert wird. Bereits vor zehn Jahren hat der Hirnforscher Manfred Spitzer im deutschsprachigen Raum vor der Benutzung von Smartphones und weiteren bildschirmbasierten Medien durch Kinder und Jugendliche gewarnt und wird seither von vielen Medienpädagogen belächelt oder sogar schlecht gemacht. Nun also das Buch von Jonathan Haidt. Herr Haidt zeigt in seinem Buch die “spielbasierte Kindheit” bis etwa 2010 und die darauffolgende “smartphonebasierte Kindheit”. Damit stellt er eine Kindheit, in der der natürliche Spieltrieb und damit das soziale, synchrone1 Lernen die grösste Rolle spielen, einer Kindheit gegenüber, in der dieser Trieb durch suchterzeugende Plattformen amerikanischer Tech-Firmen2 verdrängt wird. Eindrücklich zeigt Haidt auf, wie essentiell wichtig das Spiel für die menschliche Entwicklung ist. Spielen die Kinder nicht, passieren wichtige Verknüpfungen im Hirn nicht. Haidt zeigt anhand verschiedener Studien auf, dass Kinder und Jugendliche seit der Erfindung des Smartphones und dem damit verbundenen Aufstieg von Sozialen Medien sich weniger mit Gleichaltrigen treffen. Gleichzeitig stellt er fest, dass Angststörungen unter Jugendlichen massiv zugenommen haben seit Beginn der Zehnerjahre. Ob dies tatsächlich einen Zusammenhang hat, ist noch nicht erwiesen - für Haidt aber gibt es genügend Indizien, die in diese Richtung weisen.
Meine Notizen:
- 22 “Reale” Beziehungen bedingen eine Kontrolle der eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Dies lernen Kinder weniger, wenn sie hauptsächlich virtuelle Beziehungen pflegen.
- 26 These: Menschen werden psychisch labiler und verlangen deshalb, dass gewisse Inhalte verbannt werden. Also haben nicht die sozialen Medien selbst, sondern die Mechanismen dieser Medien einen Einfluss auf die Entwicklungen (kognitive Verzerrung) der letzten Jahre und in letzter Konsequenz auch auf unsere Demokratie.
- 43 Furcht ist ein Alarmsystem, das schnelle Reaktionen ermöglicht (Rapid-Response-System). Nimmt das Hirn eine reale oder vermeintliche Gefahr wahr, werden Stresshormone ausgeschüttet. Ist die Gefahr vorüber, verschwinden diese Hormone wieder. Bei Angst (Situation, in der Gefahr erwartet wird), passieren ähnliche Mechanismen. Wird dies immer wieder aktiviert, wird aus einer gesunden Reaktion eine Störung. Auch soziale Gefahren (ausstossen aus einer Gruppe) kann diese “Alarmglocken” aktivieren.
- 44 Soziale Isolation erhöht das Risiko für eine Depression.
- 50 Smartphones lassen sich nicht mit “normalen” Handies vergleichen. Mit Handies hatte man eine Eins-zu-Eins Kommunikation, mit Smartphones eine 24/7-Kommunikation mit unendlich vielen Reizen.
- 60 Die Verschlechterung der psychischen Gesundheit insbesondere von Mädchen zeigt sich in der gesamten westlichen Welt.
- 68 Die Kindheit und Jugend des Menschen hebt sich von der anderer Säugetiere ab. Durch den Umstand, dass “Lernen” im evolutionären Wettstreit so wichtig für den Menschen wurde, hat sich die Kindheit verlängert und die Entwicklung verläuft nicht linear. Nach einer intensiven Wachstumsphase ist das Hirn vor allem damit beschäftigt, selten benutzt Synapsen und Neuronen zu beseitigen und häufig benutzte zu verstärken. Damit wird das von der Gemeinschaft erworbene Wissen weitergegeben. Um dieses zu lernen, üben Menschenkinder im freien Spiel, in dem sie aufeinander eingehen und dem sozialen Lernen.
- 70 Alle Säugetiere müssen spielen, um ihr Hirn zu vernetzen. Können sie dies nicht, nehmen sie Schaden. Vieles können Kinder nur duch das “freie Spiel” lernen, besonders soziale / emotionale Erfahrungen.
- 73 Die Beschäftigung mit Smartphones ist das Gegenteil von freiem Spielen. Wichtige Erfahrungen für die Hinentwicklung können nicht gemacht werden. Durch die suchterzeugenden Mechanismen auf der Plattform wir dieser Umstand noch verstärkt.
- 75 Synchrone Auseinandersetzungen mit einem oder mehreren Gegenüber schaffen Sicherheit und Stabilität. Sie ist in sämtlichen Kulturen zu finden. 20 Stunden auf Social Media pro Woche sind 20 Stunden weniger Synchronizität - und oft 20 Stunden Arbeit, da die Plattformen nicht aus Spass genutzt werden, sondern wegen sozialen Drucks.
- 80 Prestige macht Menschen mächtig, sag aber nicht über deren wahren Fähigkeiten aus. Eine Anhängerschaft unterstreicht die soziale Bewertung einer Person. Genau das machen sich die sozialen Medien zunutze. Die Aufmerksamkeit, die einer realen Person hätte gewidmet werden sollen, von der dann viel gelernt hätte werden können, entfällt auf eine virtuelle Person.
- 85 In der Entwicklung gibt es verschiedene “sensible Phasen”. Das sind Altersabschnitte, in denen man etwas bestimmtes besonders gut lernen kann. In der Pubertät bis etwa 15 Jahren gibt es einen sensible Phase für kulturelles Lernen.
- 101 Nervenkitzel, den Kinder brauchen und sich schaffen, wenn sie nicht von Erwachsenen gehindert werden, sind Höhe, hohe Geschwindigkeit, gefährliche Werkzeuge, gefährliche Elemente (z.B. Feuer), raues körperliches Spiel und Veschwinden. Sie entscheiden sich für Aktivitäten, die ein relativ günstiges Risiko haben. Spielplätze sollten deshalb nur so sicher wie nötig und nicht so sicher wie möglich sein.
- 117 Der Sicherheitskult treibt es soweit, dass jede negative Emotion vermieden werden soll (z. B. mit Triggerwarnungen). Dabei ist doch die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ein Grundpfeiler der Demokratie.
- 125 In der Kindheit werden nicht genutzte Neuronen und Synapsen beschnitten (pruning) und häufig genutzte verstärkt (Myelinisierung). Das Gehirn der kleinen Kinder hat zwar enormes Potential, das der Erwachsen hat dafür viel mehr Fähigkeiten. Deshalb ist es wichtig, mit was sich Kinder und Jugendliche beschäftigen.
- 132 Menschen brauchen Übergangsriten. Möglicherweise weil die moderne, säkulare Gesellschaft solche Riten vernachlässigt, suchen sich Jugendliche selber solche Riten (die manchmal gefährlich sein können).
- 137 In der heutigen westlichen Gesellschaft wird der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter erschwert, weil einerseits wichtige Erfahrungen durch Überbehütung nicht mehr möglich sind und andererseits in der digitalen Welt Kinder unbegleitet Erfahrungen machen, denen sie noch nicht gewachsen sind.
- 151 4 Merkmale sozialer Medien: Sie haben Benutzerprofile, die Nutzer teilen eigene Inhalte, es gibt Möglichkeiten, sich zu vernetzen und User können mit anderen Usern oder mit deren Inhalten interagieren.
- 152 Verstärker: Like-Button, Retweet, Algorithmen, Push-Benachrichtigungen, front-Kameras und schnelles Internet. Es geht also nicht mehr nur um die Vernetzung mit Freunden, sondern die Präsentation von Inhalten an völlig Fremde.
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“…wenn [Kinder] dasselbe tun wie ihr Gegenüber” - im Allgemeinen wohl auf sich eingehen und auf das Gegenüber reagieren gemeint ↩︎
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Es ist wohl kein Zufall, dass diese Firmen heute die wertvollsten Unternehmen der Welt sind. ↩︎